Erlebnisgedächtnis

Das Erlebnisgedächtnis

Wenn man sich bewusst an ein früheres Geschehen erinnern möchte oder sich ganz spontan an etwas erinnert, werden Daten (Informationen) aus dem „kognitiven Gedächtnis“ abgerufen, das sich in der Großhirnrinde befindet.
 
Doch es gibt noch einen weiteren Speicher von Erinnerungen, den S. Petry das „Erlebnisgedächtnis“ genannt hat. Hierin ist alles aufgezeichnet, was eine Person erlebt hat, beginnend mit den frühen Tagen der Schwangerschaft. Das Erlebnisgedächtnis zeichnet unbewusst, mühelos und detailreich alle Sinneseindrücke, Gefühle sowie psychische und physische Reaktionen eines Menschen während des Erlebens auf – auch im Falle unbewussten Erlebens wie im Schlaf oder unter Narkose.

Alle Informationen im Erlebnisgedächtnis werden in chronologischer Reihenfolge und dauerhaft gespeichert und können weder bewusst noch unbewusst verfälscht werden.
 
Die Informationen aus dem Erlebnisgedächtnis sind im Allgemeinen nicht bewusst und absichtlich abrufbar, sondern dem Organismus nur im Zustand des Wiedererlebens zugänglich. Das Wiedererleben kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt durch „Trigger“ (Auslöser) eingeleitet werden. Das können Ereignisse, Gerüche, Geräusche, Berührungen u.a. sein, die der früheren Situation ähnlich sind. Das Wiedererleben hat starken Einfluss auf das vegetative Nerven- und Immunsystem des Körpers. Die Eigenschaften des Erlebnisgedächtnisses unterscheiden sich radikal von den Eigenschaften des kognitiven Gedächtnisses.

Die Speichergeschwindigkeit des Erlebnisgedächtnisses ist um viele Zehnerpotenzen größer als die des kognitiven Gedächtnisses, sein Fassungsvermögen ist praktisch nicht ausschöpfbar. Das Erlebnisgedächtnis ist jedoch ein reiner Datenspeicher ohne die analytischen Fähigkeiten (Denkfähigkeiten) des Bewusstseins. Das heißt, es kann nicht unterscheiden, ob es sich bei der wiedererlebten (getriggerten) Situation wirklich um eine dem früheren Geschehen ähnliche Situation handelt (z.B. eine Bedrohung) und reagiert entsprechend der früheren Situation (z.B. mit großer Angst), auch wenn die gegenwärtige Situation keine reale Bedrohung darstellt.
 
Das Erlebnisgedächtnis ist entwicklungsgeschichtlich sehr viel älter als das kognitive Gedächtnis und selbst bei primitiven Tieren nachweisbar. Der Ort des Erlebnisgedächtnisses ist zurzeit noch nicht bekannt. Empfunden wird das Wiedererleben der Erinnerungen häufig so, als ob sie in den Zellen des gesamten Körpers gespeichert wären.

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